Gravel Bikes sind ja an sich schon fast ein alter Hut. In den letzten Wochen und Monaten sind sie allerdings omnipräsent. Überall dreht sich alles um Gravel Bikes, querbeet in sämtlichen Radzeitschriften, auf YouTube, auf den gängigen Online-Seiten – und jetzt auch hier wieder. Einen meiner ersten Beiträge zum Thema findet ihr HIER. Meine Frau meinte auch schon, was denn da los sei? Warum begegnet einem denn überall das Thema Gravel Bike, wenn es doch eigentlich gar nichts Neues ist?
Thesen
Als Standardthese dient heutzutage Corona. Die Leute haben/hatten tatsächlich Zeit, sich mit diversen Freizeitmöglichkeiten zu beschäftigen, die sie in ihrem unmittelbaren Einzugsgebiet ausüben können und mit denen sie das bekannte Einzugsgebiet vergrößern können. Da bietet sich ein Gravel Bike an. Wenn es dann auch noch herhalten kann, um damit in Urlaub zu fahren – ohne fliegen und/oder Landesgrenzen überschreiten zu müssen – ja, dazu ist ein Gravel Bike geradezu prädestiniert.
Der allgemeine Trend zum Radfahren, sich mehr draußen zu bewegen und auf ein nachhaltiges Fortbewegungsmittel zu setzen, spielt den Gravel Bikes ebenso in die Karten.
Viele derjenigen, die sich ein neues Rad kaufen, werden quasi überflutet mit Radkategorien. Mit dem Gravel Bike müssen sie sich zunächst nicht festlegen. Alles ist möglich, von Straße über Feld- und Waldwege, lange Anstiege und lockere Touren mit und ohne Gepäck. Super!
Speziell ein weiterer Trend befeuert das Thema Gravel Bike momentan sehr: Bike Packing. Ich muss zugeben, dass mich dieser Trend auch sehr reizt. Einfach losfahren mit minimalem Gepäck und schauen, wo man rauskommt oder wie lange man Rad fahren kann. Möglichweise ist da bei mir was in Planung, über das ich in den kommenden Wochen berichten werde. Natürlich in Verbindung mit einem neuen Bike.
Die Medienpräsenz trägt sicherlich auch noch dazu bei, dass in den letzten Wochen Gravel Bikes in aller Munde sind. Selbst in der Mountain-Bike-Zeitschrift bike dreht sich das Titelthema um Gravel Bikes.
Erklärungsversuch
Ebenso alt wie die Radgattung der Gravel Bikes selbst ist die Diskussion, was denn nun ein Gravel Bike ausmacht und wie es sich beispielsweise von einem Cross Rad unterscheidet. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Gravel Bike (ja, es gibt sogar eine eigene Zeitschrift zum Thema!) diskutieren Menschen über genau diese Frage. So richtig beantwortet wird sie meines Erachtens jedoch nicht. Ist auch nicht weiter schlimm, denn genau hier sind wir wieder an einem wichtigen Punkt: An ein Gravel Bike lässt sich keine Schablone anlegen, die genau spezifiziert, welche Eigenschaften in welcher Ausprägung vorhanden sein müssen, damit aus einem Fahrrad ein Gravel Bike wird.
Wenn mich jemand fragt, der mit Rädern sonst nichts zu tun hat, was ein Gravel Bike ist, sage ich: ein Rennrad mit breiteren Reifen, mit dem ich im Gelände fahren kann. Das reicht den meisten aus, um sich unter einem Gravel Bike etwas vorstellen zu können. Je nach Vorkenntnissen des Fragestellenden, erweitere ich meine Antworten entsprechend: mit Scheibenbremsen, mit breiteren Reifen als bei einem Cross Rad, mit einer eher entspannteren Geometrie als ein Cross Rad, je nach Einsatzzweck mit Möglichkeiten, Schutzbleche und zig weitere Flaschen, Taschen und Accessoires anbringen zu können, etc. Ein ausgestellter Rennlenker (Flare) ist für mich kein zwingendes Merkmal eines Gravel Bikes – aber auch hier mag es andere Ansichten geben. Und das ist auch in Ordnung so.
Viele Radfahrer, die noch nie selbst in den Genuss gekommen sind, ein Gravel Bike über einen längeren Zeitraum zu fahren, sind nach wie vor eher zurückhaltend bis ablehnend. Aus meinem Rad-Bekanntenkreis können einige den Einsatz eines Gravel Bikes immer noch nicht nachvollziehen. Allgemein kommen Gegenargumente wie: wenn ich im Gelände schnell fahren will, dann fahre ich ein Hardtail Mountain Bike, wenn ich Straße fahren will, dann nehme ich ein Rennrad, etc.
Genau so habe ich auch gedacht. Gravel Bike braucht keiner. Das Besondere am Gravel Bike ist jedoch, dass sich Sektionen im Wald, auf Feldwegen und auf der Straße kombinieren lassen. Mit dem Hardtail hast du auf der Straße keinen Spaß, mit dem Rennrad im Gelände ebenso wenig. Das Gravel Bike lädt zu beliebigen Variationen ein. Es macht Spaß, neue Pfade im Gelände zu erkunden. Sollte ich mich verfahren, kann ich immer noch auf der Straße zurückfahren. Andererseits, wenn mir der Verkehr auf der Straße zu viel wird, nehme ich eine alternative Route im Gelände.
Eine Sache kann ich bei der Diskussion rund ums Gravel Bike allerdings nicht verstehen: das Argument, der Vorteil sei, dann nur ein Rad zu besitzen. Ich komme klar aus der Ecke des n+1-Ansatzes als ideale Anzahl an Rädern. Das Denkmuster des 1-Rad-Ansatzes erschließt sich mir nicht 😊 …