Ein weißer Reifen? Am Mountain Bike? Ist nicht dein Ernst? Solche Fragen habe ich zuletzt oft gehört, entweder auf den Trails oder in diversen Internetforen beim Anblick meines Stoll Bikes mit den weißen Onza Porcupine Reifen. Und wenn sich die Leute nicht zu fragen trauen, kann ich ihnen doch deutlich ansehen, dass ich wohl nicht alle Tassen im Schrank habe, weiße Reifen an einem Mountain Bike zu montieren.
Zugegebenermaßen schauen die Reifen an meinem schwarzen Rad gewöhnungsbedürftig aus. Niemandem kann ich es verübeln, diesen Anblick oder gar den praktischen Nutzen des Reifens komisch zu finden. Vermutlich würde es mir spontan genauso ergehen, wenn … ja, wenn da nicht die Historie wäre, die mit diesem weißen Onza Reifen verbunden ist.
Back in the days
Dieser Beitrag soll daher auch kein Produkttest sein, sondern eine Ode bzw. Reminiszenz an den klassischen Onza Porcupine Reifen aus der Blütezeit des Mountain-Bike-Sports Anfang der 1990er Jahre. Damals brachte Onza den Porcupine als Vorderreifen auf den Markt und eben auch in einer komplett weißen Version. Bei dieser war die Gummimischung ein wenig weicher als beim schwarzen Modell. Die Traktion war nicht der Bringer, was am Vorderrad nicht weiter dramatisch war. Durch die spitzen Stollen, die an die Stacheln eines Stachelschweins (Porcupine) erinnerten, war der Kurvenhalt für damalige 26“ Verhältnisse sehr gut. Den weißen Reifen gab es ausschließlich in der Version 26×1,95. Das war damals ok. Durch die weiche Gummimischung hat sich der Reifen allerdings auch schnell abgefahren – selbst am Vorderrad. Das Stachelschwein-Logo des Reifens wurde zum Erkennungsmerkmal von Onza, unabhängig vom Produkt selbst.
Der Reifen war von Anfang an ein Kultobjekt. Zum einen durch die knappe Verfügbarkeit, zum anderen durch die außergewöhnliche Optik, aber vor allem durch den Einsatz des Reifens durch die legendären Teamfahrer bei legendären Rennen: Greg Herbold (H-Ball), Julie Furtado, usw. Greg Herbold gewann damit die Downhill-Weltmeisterschaft – mit einem Koga Miyata Hardtail und den weißen Onzas am Vorder- und Hinterrad.
Die Neuauflage
Als Onza auf der Eurobike 2019 eine Neuauflage des Porcupine Reifens in einer limitierten weißen Version ankündigte, war mir sofort klar, dass ich diesen Reifen haben musste. Das aktuelle Modell hat mit dem Originalmodell wenig gemeinsam – allein Farbe und Name stimmen noch überein. Das Stollenprofil hat sich geändert, weg von Stachelschwein-Stollen, hin zu einem moderneren Blockprofil. Somit lässt sich der Reifen gut am Vorder- sowie am Hinterrad einsetzen. Die weiße Version gibt es für beide Laufradgrößen (27,5“ und 29“) in 2,4er Breite. Ein Leichtgewicht ist er nicht. Ein Reifen wiegt in der 29“ Version gut 860 g.
In mein Stoll Bike passt der Hinterreifen gerade so rein. Allzu viel Platz für eine ordentliche Schlammpackung ist nicht mehr. Bisher habe ich ein paar Touren bei trockenem Wetter unternommen und bin sehr zufrieden mit dem Abrollverhalten und dem Kurvenhalt an beiden Reifen bei trockenen Verhältnissen.
Mit den abfälligen Bemerkungen über die Optik der weißen Reifen kann ich leben, in der Gewissheit, die Neuauflage einer Legende der Mountain-Bike-Geschichte zu fahren.